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Oktober 14, 2025

Photovoltaik-Projekt PV4Rail: Solarstrom direkt ins Bahnnetz einspeisen

Photovoltaik-Projekt-PV4Rail

Deutschland könnte laut dem Forschungsprojekt PV4Rail schon bald einen bedeutenden Anteil seines Bahnstrombedarfs durch direkte Solarstrom-Einspeisung decken. Eine Studie des Fraunhofer ISE zeigt, dass allein auf Flächen im Umkreis von zwei Kilometern um Bahnstrom-Unterwerke rund 37,6 Gigawatt installierbare Photovoltaik-Leistung möglich wären. Das ist mehr als ausreichend, um den aktuellen Bahnstrombedarf mehrfach zu decken.

Potenzialanalyse: Wie stark kann Photovoltaik in den Schienenverkehr integriert werden?

Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) hat untersucht, ob Photovoltaik-Anlagen entlang von Bahntrassen direkt ins eigene Bahnstromnetz einspeisen könnten — und nicht erst über das öffentliche Netz. Aktuell werden PV-Anlagen entlang der Schienen häufig gebaut, doch ihr Strom wird meist über Umwege ins allgemeine Netz eingespeist.

In ihrer Prognose kommen die Wissenschaftler auf 37,6 GW installierbare Leistung innerhalb eines Radius von zwei Kilometern um Bahn-Unterwerke. Der geschätzte jährliche Ertrag liegt bei 32.920 GWh Solarstrom. Zum Vergleich: 2023 lag der Strombedarf für den Bahnbetrieb in Deutschland bei etwa 7.500 GWh.

Diese Zahlen zeigen, dass selbst ein Teil der verfügbaren Flächen entlang des Bahnnetzes das Potenzial hätte, den Bahnstrombedarf zu übertreffen.

Technische Herausforderungen: Wechselrichter und Netzkompatibilität

Der Hauptknackpunkt bei der direkten Einspeisung liegt nicht im Flächenpotenzial, sondern in der technischen Realisierung. Das Bahnnetz arbeitet nicht mit der üblichen Netzfrequenz von 50 Hz, sondern mit 16,7 Hz (einphasig). Übliche Wechselrichter für PV-Anlagen sind aber auf 50 Hz ausgelegt.

Im Rahmen von PV4Rail hat der Hersteller Vensys Elektrotechnik bereits einen Zentralwechselrichter mit 2 MW Leistung entwickelt, der in zwei symmetrische 1‑MW-Teile geteilt ist. In Labortests wurde ein Wirkungsgrad von 96,6 Prozent erzielt.

„Ein relevanter Teil des Energiebedarfs im Bahnstromnetz könnte jedoch durch Photovoltaik abgedeckt werden, denn das Photovoltaik-Flächenpotenzial längs der Bahnstrecken ist um ein Vielfaches höher als die Menge an Energie, die im Bahnstromnetz gebraucht wird.“ — Andreas Hensel, Fraunhofer ISE

Je nach Anlagengröße könnten PV-Anlagen bis 5 MW direkt in die Oberleitung einspeisen, für Anlagen bis 12 MW wäre eine Einspeisung über Unterwerke möglich. Für noch größere Anlagen (bis 40 MW) sei der Aufbau eines eigenen Unterwerks mit Transformator und Schaltanlage sinnvoll.

Darüber hinaus müssen die Wechselrichter netzbildend wirken — also Spannung und Frequenz selbst stabilisieren — und mit der Leit- und Sicherungstechnik kompatibel sein. Das Fraunhofer‑Team hat bereits entsprechende Regelungsstrategien in Simulationen entwickelt.

Internationale Beispiele und Ausblick für Deutschland

Ein Blick ins Ausland zeigt, dass direkte PV-Einspeisung ins Bahnnetz keine Utopie ist: In Österreich sind bereits mehrere Anlagen mit mehr als 10 MW Leistung in Betrieb, die Solarstrom direkt in das Bahnnetz einspeisen.

Allerdings unterscheiden sich die Normen und Netzbedingungen zwischen Österreich und Deutschland. Die ÖBB nutzt Netzbedingungen, die als technisch etwas anders einzustufen sind als die der Deutschen Bahn.

Damit in Deutschland der Start gelingt, braucht es Änderungen bei den Rahmenbedingungen: Genehmigungsverfahren, Netzanschlussregelungen und Förderinstrumente müssen angepasst werden. Auch könnten Pilotprojekte und Demonstrationsanlagen helfen, Vertrauen in die Technologie zu schaffen und die Wirtschaftlichkeit zu belegen.

Bedeutung und Herausforderungen für Energie- und Verkehrswende

Die Vision von PV4Rail ist nicht nur technisch spannend — sie verbindet direkt Energiewende und Verkehrswende. Wenn Bahnstrom weitgehend aus erneuerbaren Quellen kommt, würde der klimatische Fußabdruck des Bahnverkehrs deutlich sinken.

Doch die Hürden sind nicht klein:

  • Finanzierung und Investitionssicherheit: Betreiber und Bahnunternehmen müssten Volatilität und Amortisationsmodelle klären.
  • Regulatorische Anpassungen: Netzanschlussregeln, Einspeisevergütungen und Genehmigungsprozesse müssen angepasst werden.
  • Technische Integration: Netzstabilität, Redundanz, Wartung und Lebensdauer sind kritisch bei Einspeisern mit ungewöhnlichen Anforderungen.
  • Akzeptanz und Kooperation: Deutsche Bahn, Netzbetreiber, Kommunen und Behörden müssen kooperieren und kompatible Standards definieren.

Trotz dieser Herausforderungen zeigt PV4Rail: Der Schritt von der Idee zur Umsetzung ist technisch machbar und wirtschaftlich attraktiv — wenn Politik und Wirtschaft an einem Strang ziehen.

Solarstrom wird zum Gamechanger für den Bahnsektor

Das Projekt PV4Rail macht deutlich, dass Photovoltaik nicht nur eine Rolle bei der allgemeinen Energiewende spielen kann, sondern auch gezielt zur Dekarbonisierung des Bahnverkehrs beiträgt. Die technischen Lösungen für die direkte Einspeisung existieren bereits – und das Potenzial entlang der Bahnstrecken ist enorm. Damit rückt ein nahezu klimaneutraler Schienenverkehr in greifbare Nähe.

Allerdings braucht es klare politische Rahmenbedingungen, Investitionssicherheit und standardisierte technische Lösungen, um dieses Potenzial flächendeckend zu nutzen. Mit dem richtigen Schub könnte Deutschland nicht nur beim Ausbau der Erneuerbaren, sondern auch beim klimafreundlichen Verkehr international Vorreiter werden.

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