
Ein neues NEST-Gutachten verstärkt Kritik am Vorgehen der Bundesnetzagentur. Die Analyse des NEST-Prozesses zeigt, dass die geplanten Reformen Fehlanreize setzen könnten – und damit gerade jene Netzbetreiber treffen, die hohe Summen in den Umbau der Energieinfrastruktur investieren müssen. Mit den Ergebnissen wächst der Druck auf die Behörde, ihre Reformpläne weiter anzupassen und die Rahmenbedingungen für den Netzausbau zu stärken.
Ein zentraler Kritikpunkt des Gutachtens von Frontier Economics betrifft die geplante Änderung des Effizienzvergleichs der Netzbetreiber. Die Bundesnetzagentur möchte die bisherige Bestabrechnung abschaffen und stattdessen eine Mittelwertbildung der Kosten einführen. Das Gutachten warnt, dass dies zu systematischen Verzerrungen führen könnte. Unternehmen mit hohem Modernisierungsbedarf oder älteren Netzstrukturen würden dadurch häufiger als ineffizient eingestuft – unabhängig von ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit.
Aus Sicht vieler Netzbetreiber berücksichtigt das Verfahren strukturelle Unterschiede nicht ausreichend. Der BDEW fordert deshalb, bestehende Sicherungsmechanismen beizubehalten, um methodische Fehlbewertungen zu vermeiden. Dazu zählen die Bestabrechnung, die SFA-Skalierung und der Effizienzbonus.
Die Bundesnetzagentur signalisiert, dass der Reformprozess offen ist und die endgültigen Vorgaben noch angepasst werden können. Damit erkennt die Behörde die Herausforderungen im Reformprozess grundsätzlich an.
Die Behörde betont zudem, dass sich die Rahmenbedingungen durch den schnellen Ausbau erneuerbarer Energien laufend verändern. Neue Lastschwerpunkte, wachsende Einspeisemengen und steigende Anforderungen an Netzstabilität machten es notwendig, regulative Instrumente regelmäßig zu überprüfen. Aus Sicht der Bundesnetzagentur muss ein modernes Regulierungssystem flexibel genug sein, um technische und wirtschaftliche Entwicklungen zeitnah abzubilden, ohne die Investitionsfähigkeit der Netzbetreiber zu gefährden.
Präsident Klaus Müller betonte in diesem Zusammenhang: „Die Dynamik der Energiewende verstärkt sich. Die Stromnetze müssen beschleunigt ausgebaut und digitalisiert werden. Diese Änderungen wollen wir zukünftig kurzfristiger anpassen können, ohne dabei die Kosteneffizienz aus dem Blick zu verlieren.“
Neben dem Effizienzvergleich sieht das Gutachten weiteren Anpassungsbedarf. Der BDEW kritisiert unter anderem den geplanten Abbaupfad für Ineffizienzen, der aus Sicht des Verbands zu zusätzlichen finanziellen Belastungen führen könnte. Auch die Anpassungen bei der Kapitalkostenvergütung und dem Produktivitätsfaktor Xgen sind umstritten. Letzterer müsse so ausgestaltet werden, dass er die tatsächliche Produktivitätsentwicklung im Netzbetrieb widerspiegelt.
Der Verband lehnt zudem eine Verkürzung der Regulierungsperiode ab. Angesichts der zunehmenden Komplexität der Netzinfrastruktur sei eine längere Periode sinnvoll, wie sie etwa in Österreich angewendet wird.
Darüber hinaus warnt das Gutachten, dass die geplanten Änderungen bei den Kapitalkosten langfristige Investitionen unattraktiver machen könnten. Netzbetreiber müssten zunehmend in Digitalisierung, Netzausbau und moderne Steuerungstechnik investieren, bräuchten dafür jedoch verlässliche Refinanzierungsmodelle. Werden Kapitalkosten zu niedrig angesetzt oder kontinuierlich angepasst, sinkt die Planungssicherheit. Fachleute weisen deshalb darauf hin, dass ein stabiler und investitionsfreundlicher Regulierungsrahmen entscheidend bleibt, damit Netzbetreiber die anstehenden Transformationsaufgaben ohne Verzögerungen stemmen können.
Eine Befragung von 32 institutionellen Investoren, darunter Banken und Fonds, zeigt: Viele von ihnen sind skeptisch, ob der aktuelle Entwurf der Bundesnetzagentur ausreichend Sicherheit bietet, um langfristige Investitionen zu ermöglichen. Besonders kritisiert werden unklare Renditeprognosen, fehlende Kostendeckung bei Fremdkapital und ein Mangel an langfristiger Planbarkeit.
Dabei wird deutlich: Fehlen verlässliche Regeln, wächst das finanzielle Risiko. Projekte werden teurer, Finanzierungskonditionen schlechter und wichtige Netzausbauvorhaben könnten ins Stocken geraten oder später starten als vorgesehen.
Das NEST-Gutachten verstärkt Kritik, mit seinen Ergebnissen wächst der Druck auf die Bundesnetzagentur, zentrale Elemente des Prozesses zu überarbeiten. Die kommenden Monate werden darüber entscheiden, ob die Behörde Fehlanreize korrigiert und ein System schafft, das sowohl Effizienz als auch Investitionskraft stärkt.
Fest steht, dass leistungsfähige Stromnetze die Grundlage für jede weitere Beschleunigung der Energiewende bilden. Ohne ausreichende Kapazitäten, moderne Steuerungstechnik und verlässliche Investitionsbedingungen geraten Ausbauziele ins Wanken und erneuerbare Energien können nicht im Tempo integriert werden, das politisch gewünscht und wirtschaftlich nötig ist.
Das vorgelegte Gutachten gewinnt daher an Bedeutung, weil es detailliert aufzeigt, wo regulatorische Anpassungen erforderlich sind und welche Mechanismen in der aktuellen Form zu Fehlentwicklungen führen könnten. Seine Einschätzungen dürften maßgeblich beeinflussen, wie die Bundesnetzagentur die endgültigen Regeln gestaltet und wie gut es künftig gelingt, Netzbetreiber in ihrer Rolle als zentrale Träger der Energiewende zu stärken.