
Der Eigenverbrauch von Solarstrom steigt stark und verändert den Energiemarkt. Hohe Strompreise, neue Technik und Sektorkopplung machen die Nutzung vor Ort immer attraktiver. Das heißt konkret: Deutschland nutzt seinen Solarstrom selbst und Fraunhofer-Forscher haben erstmals dazu eine genaue Methode entwickelt, die den tatsächlichen PV-Eigenverbrauch in Deutschland ermittelt.
Deutschland erlebt einen tiefgreifenden Wandel beim Umgang mit Solarstrom. Während PV-Anlagenbetreiber früher fast vollständig auf Einspeisung setzten, weil sich jede Kilowattstunde im Netz besser bezahlte als der eigene Verbrauch, hat sich dieses Verhältnis inzwischen grundlegend gedreht. Steigende Strompreise, technologische Fortschritte und die zunehmende Sektorkopplung haben den wirtschaftlichen Eigenverbrauch zu einem zentralen Treiber der Energiewende gemacht.
Forscher des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE haben nun erstmals eine Methode entwickelt, die den tatsächlichen PV-Eigenverbrauch auf Basis offizieller Daten präzise quantifiziert. Die Grundlage bilden Informationen aus dem Marktstammdatenregister sowie Einspeisedaten der Übertragungsnetzbetreiber. Die Ergebnisse sind Teil einer Analyse, die das Umweltbundesamt in einer umfangreichen Publikationsreihe zu erneuerbaren Energien veröffentlicht hat.
Die Zahlen zeigen einen klaren Trend: Eigenverbrauch steigt nicht nur, er beschleunigt sich. Nach Jahren moderater Zuwächse bis 2020 nimmt die Entwicklung inzwischen deutlich mehr Fahrt auf. Von 3,55 Terawattstunden im Jahr 2020 ging es zunächst auf 5,57 TWh im Jahr 2022 und 8,20 TWh 2023. Doch 2024 setzte ein regelrechter Sprung ein.
Tobias Reuther, Datenexperte für erneuerbare Energien am Fraunhofer ISE, beschreibt das Ergebnis so:
„Im Jahr 2024 lag der Eigenverbrauch bei 12,28 Terawattstunden. Bei knapp 60 Terawattstunden eingespeistem Solarstrom entspricht das einem Anteil von 17 Prozent. Ein deutlicher Sprung gegenüber 2023, als wir noch bei 13 Prozent lagen.“
Das Bild, das damit entsteht, geht weit über reine Statistik hinaus. Es zeigt, dass Deutschland seinen eigenen Solarstrom zunehmend dort nutzt, wo er entsteht. Die Kombination aus hohen Strompreisen, mehr Elektroautos, immer mehr Wärmepumpen und einem stark wachsenden Speichermarkt sorgt für eine Dynamik, die die gesamte Energiearchitektur verändert.
Der Eigenverbrauch hat längst Auswirkungen, die über die Geldbörse hinausreichen. Zwar spart jede selbstgenutzte Kilowattstunde teuren Netzstrom ein, doch gleichzeitig entlastet sie die Netze. Strom wird dort verbraucht, wo er entsteht, ohne transportiert oder umgewandelt werden zu müssen. Dadurch sinken Lastspitzen, und die Integration erneuerbarer Energien gelingt leichter.
Christoph Kost, Abteilungsleiter Energiesystemanalyse am Fraunhofer ISE, ordnet diese Entwicklung ein:
„Wir erwarten, dass der Eigenverbrauch weiter zunimmt – wegen hoher Strompreise, aber auch durch den Erfolg von Batteriespeichern. Das lohnt sich für Haushalte, besonders wenn sie damit Wärmepumpen oder Elektroautos betreiben. Gleichzeitig hilft es dem Stromnetz, weil Energie dort genutzt wird, wo sie entsteht.“
Für ihre Berechnungen haben die Fraunhofer-Forscher den gesamten deutschen PV-Anlagenbestand nach Baujahr, Leistungsklasse und Anlagenkonzept kategorisiert. Danach kombinierten sie diese Gruppen mit realen Einspeisedaten und verfügbaren Speicherinformationen. Auf diesem Weg entstanden 44 differenzierte Eigenverbrauchscluster, die eine bislang nicht erreichte Genauigkeit bei der Bestimmung des tatsächlichen Eigenverbrauchs erlauben.
Diese Methodik soll Energiepolitik, Netzbetreibern und Marktteilnehmern künftig helfen, die Auswirkungen des Eigenverbrauchs besser zu verstehen. Denn je genauer bekannt ist, wie viel Strom vor Ort bleibt, desto präziser lassen sich Netzausbau, Speicherplanung und Marktmodelle gestalten.
Der wachsende Eigenverbrauch zeigt deutlich, wie sich Solarstrom im Alltag etabliert. Immer mehr Haushalte integrieren PV-Anlagen in ihre Wärme- und Mobilitätsnutzung und machen sich damit unabhängiger vom Strommarkt. Gleichzeitig entsteht ein System, das nicht nur kostengünstiger, sondern auch stabiler arbeitet.
Die Erkenntnisse der Analyse sind Teil einer Publikationsreihe des Umweltbundesamts, die jährlich Daten zu mehreren Schlüsseltechnologien der Energiewende bereitstellt – darunter Photovoltaik, Windkraft und Wärmepumpen. Die daraus gewonnenen Trends fließen zunehmend in politische Maßnahmen und Marktstrategien ein.
Mit dem neuen Verfahren steht nun ein Werkzeug zur Verfügung, das die tatsächliche Bedeutung des Eigenverbrauchs erstmals klar sichtbar macht. Gleichzeitig wird deutlich, wie stark Solarstrom inzwischen zur direkten Versorgung der Haushalte beiträgt