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Oktober 21, 2025

Keine Kapazitätszurückhaltung im Winter 2024 sagt das Bundeskartellamt

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Im Winter 2024 erlebte der europäische Strommarkt außergewöhnlich hohe Großhandelspreise. Besonders während einer sogenannten Dunkelflaute, in der weder Wind- noch Solarenergie in ausreichendem Maße zur Verfügung standen, explodierten die Spotmarktpreise zeitweise auf über 900 Euro pro Megawattstunde. Diese Preisentwicklung führte zu öffentlichen Diskussionen und politischen Forderungen nach einer Untersuchung möglicher Marktverzerrungen. Der Verdacht: Kraftwerksbetreiber könnten gezielt Kapazitäten zurückgehalten haben, um die Strompreise künstlich in die Höhe zu treiben.

Untersuchung durch Bundeskartellamt und BNetzA

Das Bundeskartellamt und die Bundesnetzagentur nahmen die Preisspitzen zum Anlass, das Verhalten großer Energieversorger im Detail zu analysieren. Die Untersuchung konzentrierte sich insbesondere auf marktrelevante Erzeuger mit steuerbaren Kraftwerken, die in kritischen Phasen theoretisch kurzfristig zusätzliche Kapazitäten bereitstellen könnten.

Das Ergebnis der Analyse: Es wurden keine Hinweise auf eine systematische oder gezielte Zurückhaltung von Erzeugungskapazitäten festgestellt. Die Behörden sehen daher keinen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht.

Zum Ergebnis Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts: „Die hohen Preise in der Dunkelflaute waren also nicht das Ergebnis kartellrechtswidrigen Verhaltens.“

Was hinter den Preisspitzen steckt

Laut Bericht waren die Hauptursachen der Preissteigerungen struktureller Natur: eine Kombination aus sehr niedriger Einspeisung erneuerbarer Energien, einer gleichzeitigen hohen Nachfrage sowie geringerer Verfügbarkeit einiger konventioneller Kraftwerke, etwa aufgrund von Wartungen oder technischen Begrenzungen.

Zudem spielt die enge Vernetzung des europäischen Strommarkts eine Rolle – Engpässe in Nachbarländern können die Preise auch hierzulande beeinflussen. Das bestehende Marktdesign erlaubt Preisspitzen als Signal für Knappheit, soll aber gleichzeitig über Reservekapazitäten eine physische Unterversorgung verhindern.

Versorgungssicherheit blieb erhalten

Trotz der dramatischen Marktentwicklung blieb die Stromversorgung in Deutschland durchgängig gesichert. Eingesprungene Reservekraftwerke und die Koordination der Übertragungsnetzbetreiber sorgten dafür, dass keine Abschaltungen oder Stromausfälle notwendig wurden. Die Dunkelflaute wurde somit zwar zur Belastungsprobe – aber nicht zur Versorgungskrise. Die Ereignisse zeigen jedoch, wie anfällig das System in Extremwetterphasen sein kann und welche Rolle flexible Erzeuger künftig spielen müssen.

Folgen für Politik und Marktaufsicht

Die Ergebnisse der Untersuchung entlasten zwar die großen Marktakteure juristisch, werfen aber neue Fragen zum zukünftigen Strommarktdesign auf. Diskutiert wird unter anderem, ob das aktuelle Modell ausreichend Anreize für den Ausbau und Einsatz flexibler Kapazitäten bietet oder ob zusätzliche marktstabilisierende Mechanismen notwendig sind. Auch die Rolle von Speichern, Demand-Side-Management und grenzüberschreitender Kooperation rückt stärker in den Fokus.

Erneuerbare Energien und Netzstabilität

Ein zentrales Lernfeld bleibt der Umgang mit wetterabhängigen Einspeisungen. Je höher der Anteil an Photovoltaik und Windenergie, desto wichtiger werden steuerbare Backup-Systeme. Die Energiewende erfordert ein Zusammenspiel aus regenerativer Erzeugung, Speicherkapazitäten, intelligenter Steuerung und marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Ereignisse im Winter 2024 verdeutlichen, dass Versorgungssicherheit kein Selbstläufer ist – auch nicht in einem technisch hochentwickelten Energiemarkt.

Fazit: Kein Fehlverhalten – aber Reformbedarf bleibt

Das Bundeskartellamt hat keine marktmissbräuchlichen Strategien festgestellt. Dennoch zeigen die Preisextreme die Grenzen des bestehenden Systems auf. Für die Energiewirtschaft und die Politik bedeutet das: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um über zukunftsfeste Modelle der Strompreisbildung, Netzintegration und Versorgungssicherheit nachzudenken. Die Herausforderungen der Energiewende verlangen nicht nur technologischen Fortschritt, sondern auch marktlogische Weiterentwicklungen.

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