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Oktober 28, 2025

Neuer Schutz für Wechselrichter macht Fehlerströme in unter einer Millisekunde sicher beherrschbar

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Ein gemeinsames Forschungs- und Entwicklungsprojekt eines deutsch-schweizerischen Konsortiums aus Wissenschaft und Industrie hat ein innovatives Schutzsystem auf Halbleiterbasis hervorgebracht. Dieses neuartige System ist in der Lage, bei elektrischen Fehlströmen innerhalb von weniger als einer Millisekunde automatisch einen dauerhaften Kurzschluss herbeizuführen. Dieser ultraschnelle Schutzmechanismus dient nicht nur dem unmittelbaren Schutz der empfindlichen Leistungselektronik in modernen Wechselrichtern, sondern verbessert auch signifikant deren Zuverlässigkeit und Integrationsfähigkeit in zukünftige Energieinfrastrukturen.

Schnell reagieren, bevor Schäden entstehen

Moderne Stromnetze mit hoher Einspeisung aus Photovoltaik und Windenergie stellen neue Anforderungen an Schutzsysteme. Insbesondere Wechselrichter, die Gleichstrom in Wechselstrom umwandeln, müssen im Fehlerfall extrem schnell reagieren. Klassische Schutzschaltungen benötigen dabei bis zu 100 Millisekunden – in Systemen mit Halbleiterwechselrichtern und hoher Leistungsdichte reicht dies nicht mehr aus.

Ein deutsch-schweizerisches Forschungsteam aus dem Fraunhofer IMWS, der Technischen Universität Dresden und der Infineon Bipolar GmbH hat nun ein Schutzkonzept entwickelt, das im Fehlerfall in unter 1 Millisekunde einen dauerhaften Kurzschluss, einen sogenannten »Short on fail«, erzwingt, um die Komponenten vor Überstrom und Gehäuseversagen zu schützen.

Dazu sagt Carola Klute, Leiterin Materialdiagnostik im Projekt „GreenGridGuard“ am Fraunhofer IMWS: „Das ist eine wichtige Grundlage für neue Leistungselektroniklösungen, die eine verbesserte Netzanbindung von regenerativen Energien ermöglichen.“

Warum diese Entwicklung bedeutend ist

Mit der zunehmenden Verbreitung von IGBT- und SiC-Halbleiterwechselrichtern steigen Spannung und Stromdichte. Dies führt dazu, dass bei Fehlern extrem hohe Kurzschlussströme auftreten können. Klassische Schutzsysteme sind hierfür nicht ausgelegt – sie reagieren zu langsam oder verarbeiten nicht die Wärme- und Ausbruchsmechanismen moderner Bauelemente.

Die neue Lösung schließt diese Lücke: Durch eine Kombination aus Leistungsschalter-Technik und speziell entwickelten Halbleiterstrukturen wird im Fehlerfall sofort ein Kurzschluss erzeugt, der das System deaktiviert und somit die übrige Anlage schützt. Gleichzeitig wird durch optimiertes Material- und Gehäusedesign das Risiko von Gehäusebruch und Plasmaaustritt minimiert.

Die Funktionsweise im Detail

Im Forschungsprojekt wurden verschiedene Demonstratoraufbauten getestet und analysiert. Besonders effizient zeigte sich eine Variante mit einer festen anodenseitigen Verbindung zwischen dickem Trägersubstrat und einer lose aufliegenden kathodenseitigen Kontaktscheibe. Diese Bauweise ermöglichte die gewünschte Kurzschlusswirkung mit hoher Zuverlässigkeit. Parallel dazu wurden diagnostische Verfahren zur Analyse von Materialschädigungen entwickelt – etwa akustische Mikroskopie, Rasterelektronenmikroskopie oder Röntgenanalyse –, um Veränderungen wie Aufschmelzungen, Risse und Phasenbildungen zu erkennen und auszuwerten. Diese Erkenntnisse flossen in einen Prüfkatalog ein, der Materialverhalten unter Belastung sowie Langzeitzuverlässigkeit berücksichtigt.

Bedeutung für Netz und Branche

Mit der zunehmenden Verbreitung regenerativer Energiequellen steigt auch der Bedarf an zuverlässigen und schnellen Schutzmechanismen innerhalb der Energieinfrastruktur. Das neue Schutzkonzept stellt hierbei einen echten Technologiesprung dar. Besonders bei Anlagen mit modernen Halbleitern wie Siliziumkarbid (SiC) oder Galliumnitrid (GaN) kommt es im Fehlerfall zu extrem hohen Stromspitzen, die klassische Sicherungssysteme nicht rechtzeitig erkennen oder bewältigen können.

Die Fähigkeit, innerhalb von weniger als einer Millisekunde einen gezielten Kurzschluss auszulösen, eröffnet neue Sicherheitsstandards für den Betrieb von Wechselrichtern und leistungselektronischen Komponenten – ein entscheidender Vorteil in Systemen mit hoher Einspeisung aus Wind- und Solarkraft.

  • Höhere Sicherheit: Die unmittelbare Reaktion auf Fehler schützt nicht nur die Komponenten vor thermischer Zerstörung, sondern verhindert auch Kettenreaktionen im Netzverbund. Dies erhöht die Betriebssicherheit von Photovoltaik- und Speicheranlagen erheblich.

  • Bessere Integration: Insbesondere bei der Integration von Hochleistungswechselrichtern in zunehmend volatile Stromnetze ist ein präzises Fehlermanagement entscheidend. Das neue Konzept schafft hier die Grundlage für den sicheren Betrieb selbst unter anspruchsvollsten Bedingungen.

  • Netzstabilität: Die Fähigkeit, Fehlerströme schnell zu isolieren und Netzrückwirkungen zu minimieren, wirkt sich positiv auf die Gesamtstabilität aus. Dies ist besonders wichtig in dezentralen Netzen mit vielen Einspeisepunkten.

  • Wirtschaftlichkeit: Neben der erhöhten technischen Sicherheit profitieren Betreiber auch wirtschaftlich. Weniger Schäden, geringere Wartungskosten und eine verbesserte Ausfallsicherheit führen zu niedrigeren Betriebsrisiken. Das wiederum kann sich positiv auf die Projektfinanzierung auswirken – etwa durch geringere Risikoaufschläge oder attraktivere Versicherungsbedingungen.

Insgesamt markiert das Schutzkonzept einen wichtigen Schritt in Richtung eines robusteren, smarteren und besser integrierten Energiesystems.

Chancen und Herausforderungen

Mit dem neu entwickelten Schutzkonzept eröffnen sich zahlreiche Perspektiven für die Weiterentwicklung moderner Energietechnologien. Doch wie bei jeder technologischen Innovation gilt es, neben den Vorteilen auch mögliche Hürden im Blick zu behalten – von der praktischen Umsetzung über wirtschaftliche Aspekte bis hin zu regulatorischen Anforderungen.

Chancen:

  • Hersteller von Wechselrichtern erhalten eine technologisch sichere Schutzplattform.
  • Netzbetreiber profitieren von zuverlässigerer Einspeisung und geringerem Risiko.
  • Betreiber großer PV- und Speicheranlagen können mit höheren Leistungsdichten planen.

Herausforderungen:

  • Markteinführung und Normung benötigen Zeit.
  • Kosten für neue Schutzsysteme müssen zielführend kalkuliert werden.
  • Hersteller und Betreiber müssen bestehende Anlagen ggf. nachrüsten.
  • Rechtliche Rahmenbedingungen und Zertifizierung müssen angepasst werden.

Ausblicke nach bisherigem Stand der Entwicklung

Die Forscher unterstreichen, dass das Konzept des »Short on fail« nicht nur eine technische Neuerung darstellt, sondern eine Schlüsselkomponente für die nächste Generation von Energiesystemen ist. Es ermögliche nicht nur höhere Leistungsdichten, sondern auch eine stärkere Verbreitung von Photovoltaik, Windkraft und Speichern. Damit leiste es einen Beitrag zur Zielerreichung von Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Netzintegration.

In der Praxis heißt das: Hersteller sollten Schutzsysteme mit dieser Technologie in ihre Produkte integrieren, Anlagenbetreiber sollten bei Neubauten auf entsprechende Zertifizierungen achten – und Netzbetreiber sowie Regulatoren müssen diese neue Schutzklasse in Normen und Anforderungen aufnehmen. Nur so wird sichergestellt, dass der technologische Fortschritt nicht an der Schnittstelle von Sicherheit und Marktfähigkeit scheitert.

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